Meine heutige Wanderung führte mich auf den Grønnlibruna, welcher mit seinen 401 m nicht besonders hoch, aber aus meiner Sicht eine wunderschöne Wanderung ist, auf die ich dich gerne mitnehmen möchte. Diesen Berg bin ich im vergangenen Sommer bereits einmal bestiegen und ich erinnere mich sehr gerne daran zurück. Es war der erste sonnige Tag nach fast zwei Wochen starkem Regen. Meine Füße waren schnell vom vollgesogenen Moor durchnässt, doch die ganze Wanderung über begleitete mich ein prächtiger Regenbogen, der sich über das Tal erstreckte.

Heute wiederhole ich die Wanderung unter anderen Bedingungen, doch ich erkenne den Weg wieder und während ich laufe, kommen wunderbare Erinnerungen zurück. Meine Gastfamilie vom letzten Sommer fährt das Wochenende über Zelten und ich kümmere mich derweil um ihre Hühner. Die Wanderung beginnt mit dem mir so vertrauten Waldweg, welcher direkt hinter dem Haus meiner Gastfamilie liegt. Auf diesem Weg ist mir im letzten Sommer einmal ein Elchjunges mit seiner Mutter begegnet. Schon bald geht der Wald in das Moor über und das Dickicht der Bäume weicht der Weite des Moores. Ich halte nach Multebeeren Ausschau, welche sich auf dem feuchten Grund wohlfühlen. Anders als das Blaubeerenpflücken, welches eher eine Fleißarbeit ist, erfordert das Multebeerenpflücken Geduld, Glück und ein waches Auge. Die orangenen Beeren, welche für mich nach Vanillepudding schmecken, wachsen vereinzelt und gelegentlich zwischen den anderen Beeren und Gräsern. Hier unten finde ich nur eine einzige, die schnell in meinem Mund verschwindet. Weiter geht der Weg durch das Moor und ich bin bedacht, nicht zu tief im Wasser zu versinken, sondern die trockenen Grasinseln zu treffen. Ich springe über größere Wasserflächen und der Weg beginnt, zwischen vereinzelten Birken bergauf zu gehen. Meine erste Pause mache ich am ersten blauen Briefkasten. Hier wird mein Weg von einem anderen Weg gekreuzt und ich schreibe meinen Namen in das kleine Heft, welches im Briefkasten auf Wanderer wartet. Heute waren bereits zwei weitere Menschen vor mir hier.


Ab nun ist es schwierig, einem Weg zu folgen. Ab und zu treffe ich auf einen der Trampelpfade, doch zwischen moorigem Grund, Sträuchern und Steinen verliere ich ihn schnell wieder. Ich überquere den Bach an der schmalsten Stelle und gehe am See entlang querfeldein bergauf. Immer wieder halte ich inne, um Tromsøya und die umliegenden Berge zu überblicken, dann richte ich meinen Blick wieder auf die kleinen Sträucher und Gräser. Im Vorübergehen pflücke ich viele Blaubeeren und stecke sie mir einzeln oder in Mengen in den Mund. Nach einer Weile komme ich zu einem flachen Stein, welcher mit leuchtend roten Blättern einer mir unbekannten Pflanze bedeckt ist. Daneben bietet das weiche Moos ein gutes Kissen und lädt mich zum Hinlegen ein. Ich schaue in den wolkenbedeckten Himmel, auf die mit ihren Gipfeln in den Wolken steckenden Berge und auf die roten Pflanzen, welche bei genauerem Hinsehen schwarze Früchte tragen. Ich hole mein Buch aus meinem Rucksack und tauche für eine Weile darin ab, bis mir kalt wird und ich den Drang habe, mich wieder zu bewegen.


Der Aufstieg ist nicht besonders steil und immer wieder steige ich eine Erhebung hinauf, um auf der anderen Seite wieder hinunterzusteigen. Aus Spaß klettere ich eine kleine Felswand hoch und entdecke darüber dicke, saftige Blaubeeren. Plötzlich bin ich von Multebeeren umgeben. Erst entdecke ich eine, dann fällt mein Blick auf eine weitere und bald ist meine Hand voll mit den schönsten Beeren. Die weniger schönen Multebeeren verschwinden direkt in meinem Mund. Ich setzte mich hin und esse das Gemüse aus meiner Brotdose, um darin Platz für die vielen Beeren zu schaffen. Als ich keine Beeren mehr entdecken kann, gehe ich weiter bergauf und so schnell wie die Multebeeren gekommen sind, sind sie auch wieder verschwunden.

Schließlich erreiche ich den Pfad, welcher auf den Gipfel führt. Auch hier hängt ein blauer Briefkasten und ich kann anhand des Buches nachvollziehen, dass ich heute die Zweite bin, die diesen Gipfel bestiegen hat. Im Windschatten des Steinhaufens esse ich mein Brot und lese noch ein wenig, doch lange halte ich es in der Kälte nicht aus.

Der Abstieg geht fix. Ich renne und springe den vor lauter Moos und Sträuchern weichen Hang hinab, bis ich auf einmal wieder von Multebeeren umgeben bin. Noch nie habe ich so viele Multebeeren auf einmal gesehen. Hier gleicht das Multebeerenpflücken doch fast dem Blaubeerenpflücken. Meine Brotdose ist schnell randvoll und die restlichen Beeren landen wieder in meinem Mund.

Endlich verziehen sich die Wolken und die Sonne bringt die Farbenpracht der Natur hervor. Ich ziehe meine zwei Jacken und die Handschuhe aus. Erstaunlich zügig bin ich zurück am großen See, überquere den Bach an der gleichen Stelle wie auf dem Hinweg und bin zurück an meinem kleinen Weg nach Hause. Bevor ich hinabsteige, suche ich mir aber noch zwei geeignete Bäume und hänge meine Hängematte daran auf. Für eine Weile liege ich darin, lese, esse Kekse und genieße die Sonne im Gesicht. Ich betrachte die Birken vor meinem Gesicht von ganz nah, die jungen dunkelbraunen und etwas älteren rötlichen.



Den Rest des Weges renne ich entlang. Meine Schuhe versinken im nassen Moor und das ein oder andere Mal bleibt mein Schuh fast im Schlamm stecken, während mein Fuß weiterlaufen will und halb aus dem Schuh heraushüpft. Als ich den Übergang zum Wald erreiche, höre ich auf zu rennen. Meine Schuhe sind klitschnass, aber meine Füße recht trocken und meine Gastfamilie hat eine Schuhtrocknemaschine. Mit einer Brotdose voll Multebeeren, vielen neuen Eindrücken und jede Menge guter Laune im Gepäck komme ich am Haus an. Ich lasse die Hühner im Garten herumlaufen und bringe sie schließlich ins Bett. Ich selbst möchte die Nacht in meiner Hängematte verbringen und vielleicht sehe ich dabei ja trotz Wolken Nordlichter.
