Es wird Sommer in der Arktis

Dienstag, 23. Mai 2023

Der dritte Tag im Messzyklus ist wieder ruhig, da wir lediglich unsere Proben im Labor analysieren und Daten auswerten. Für alle Interessierten werden heute Touren durch den Maschinenraum angeboten und wir stellen jede Menge Fragen zur Frischwasserherstellung, Stabilisierung des Schiffes sowie der Abwärmenutzung. Ich bin geschockt zu erfahren, dass wir während des Eisbrechens auf der Hinfahrt bis zu 45000 Liter Diesel am Tag verbrannt haben. In dem Versuch, das Klimasystem der Arktis und seine Veränderungen verstehen zu lernen, verursachen wir selbst enorme Emissionen. Es ist ein schmaler Grad. Umso wichtiger ist es zu lernen, wie wir Satellitenbilder des Meereises richtig interpretieren können, um mlglichst viele Informationen aus der Ferne sammeln zu können. Fernerkundung von Meereis fasziniert mich derzeit sehr und zu diesem Thema, spezifischer zur Fernerkundung von Schmelztümpeln, werde ich im Sommer auch meine Masterarbeit beginnen.
Es ist erstaunlich warm heute, etwa 3°C, und das macht sich auf dem Eis bemerkbar. Der Schnee beginnt, kleckerweise feucht und bläulich durchsichtig zu werden. Ob wir die nächsten Tage wohl erste Schmelztümpel beobachten können? Die warmen Temperaturen sorgen auch dafür, dass sich die Eisanker, welche erst gestern nach unserem spontanen Ablegemanlver neu gesetzt wurden, erneut lösen. Das Schiff wird jetzt mit einem laufenden Propeller in Position gehalten, was unsere Turbulenzmessungen unter Wasser hoffentlich nicht zu stark beeinflusst.
Das warme Wetter wirkt sich auch auf die Luftfeuchtigkeit aus. Während ein Team gerade erneut den nahegelegenen Presseisrücken auf Algen untersucht, wird unsere Scholle plötzlich in dichten Nebel gehüllt, sodass eine sichere Arbeit auf dem Eis nicht mehr gewährleistet werden kann. Auf einmal ist alles weiß, der Horizont ist nicht mehr zu erkennen. Ich stehe draußen auf der Brücke und nehme einfarbig weiße Fotos auf. Es ist beeindruckend. Nach einiger Zeit klart der Nebel wieder auf und ich stelle von der Brücke als Eisbärwache sicher, dass sich im Nebel keine Bären angeschlichen haben, sodass die Arbeit auf dem Eis fortgesetzt werden kann.
Mit dem Ende des zweiten Messzyklus rückt das Ende unserer Zeit auf der Scholle auf einmal spürbar näher. Einen finalen Messzyklus werden wir noch durchführen und dann am Abend des 26. Mai unsere Scholle verlassen, um rechtzeitig in Longyearbyen anzukommen. Es ist schwierig abzuschätzen, wie lange die Fahrt zurück dauern wird. Aufgrund der schwierigen Eis- und Schneeverhältnisse konnten wir nicht so weit in das Eis brechen wie erhofft, aber die nun wärmeren Temperaturen könnten zu unserem Vorteil sein. Seit unserer Ankunft auf der Scholle sind wir jedoch auch fast 40 Kilometer nach Osten gedriftet und nicht wie gehofft südlich in Richtung Svalbard.
Die relativ lange Zeit, die wir inzwischen auf dem Schiff verbracht haben, macht sich besonders beim Abendessen bemerkbar. Schon vor einigen Tagen sind uns die Bananen ausgegangen, nachdem die immer brauner werdenden Bananen in jeglichen Nachspeisen verarbeitet wurden. Heute finde ich an der Salatbar keinen frischen Salat mehr, sondern geraspelten Kohl. Vielleicht ist es ganz gut, dass wir nur noch eine Woche auf dem Schiff sein werden.

Advertisement

Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s